Ein neuer Stern ist erst vor kurzem am endlos scheinenden CanAmericana-Firmament gesichtet worden: Joe Nolan heißt einer der wohl talentiertesten neuen Singer/Songwriter aus Kanada, ein blutjunger, moderner Typ, der einerseits fest in der lokalen Roots-Szene geerdet scheint, sich auf der anderen Seite aber gerade mit seinen ungewöhnlichen Lyrics und seinen dichterischen Qualitäten von den üblich verdächtigen Holzfällerhemd-Liedermachern absetzt und schon mit Genre-Granden wie Leonard Cohen, Elliott Smith, Bruce Cockburn und Bob Dylan in einem Atemzug genannt wird! 

Ende 2011 veröffentlichte Joe Nolan aus Edmonton, Alberta sein Debütalbum 'Goodbye Cinderella' auf privater Ebene und es wurde praktisch aus dem Stand von den Kritikern der einschlägigen Americana-Medien mit einer selten erlebten Gier aufgesogen und mit Superlativen überhäuft. Da kommt ein 21-jähriger Youngster daher und erklärt uns Gefühlslagen, Lebensbefindlichkeiten und andere Weisheiten wie ein Alter. Er singt den Blues genauso wie den Folk Song und fühlt sich auch im Indie/Songwriter-Terrain gleichermaßen zuhause. Dazu sieht er verdammt cool aus, hinterlässt auch bei seinen Liveauftritten einen tollen Eindruck und hat die richtigen Verbindungen: allen voran zu Colin Linden, kanadischer Topgitarrist zwischen Blues, Folk Rock und Roots'n Roll, 1/3 der legendären Blackie & The Rodeo Kings, häufiger Produzent von Bruce Cockburn u.a. großen Namen, Wandler zwischen seinen Aufnahmestudios in Toronto und Nashville, ein Mann mit reichlich Erfahrung von über 30 Jahren im Musikgeschäft! Und der stellt eine Studiomannschaft zusammen, in der sich Legenden wie Charlie McCoy und Spooner Oldham wiederfinden und vielbeschäftigte Spitzenmusiker wie Dave Roe, Chris Donahue, Bryan Owings sich Zeit nehmen, um einem Newcomer das Debüt zu veredeln. Dem das alles zwar sehr gut zu Gesicht steht, der aber auch ohne schmückende Arrangements, ganz nackt nur mit seinen Songs, seiner Stimme und Gitarre (und Folkie-Harmonika) zu überzeugen wüsste - das ist keine Frage!

Nur knapp zwei Jahre weiter - 'Tornado': Joe Nolan hat sein nächstes Paket mit grandiosen Songs fertig und geht - wieder mit seinem Mentor und Produzenten Colin Linden - im Februar 2013 in zwei Recording Studios in Nashville und Calgary, um sie in einem Rutsch aufzunehmen. Linden spielt wie gewohnt die Parts auf der elektrischen Gitarre - einfühlsam, atmosphärisch, Stimme und Songs umgarnend, wenn es sein soll, auch mal kräftig zupackend, eben wie ein Könner, der jederzeit weiß, was seinem Schützling gut tut! Mit Keyboarder John Whynot, Bassist John Dymond und Drummer Gary Craig hat er seine eigene langjährige kanadische Hausband am Start, die schon auf so vielen Projekten von Cockburn über all die tollen Blackie & The Rodeo-Sessions bis zu Kathleen Edwards gespielt hat. Die Nashville-Drummer Marco Giovino (Robert Plant, Patty Griffin) und Tom Hambridge (Delbert & Glen, George Thorogood) ergänzen das Studio-Lineup ebenso wie der bekannte Streichinstrumentalist Chris Carmichael ein paar konzertante Tupfer setzt; der düstere Tom Wilson (Junkhouse, Rodeo Kings, Lee Harvey Osmond) und die temperamentvolle Alt.Country-Sirene Lindi Ortega singen mitunter im Hintergrund, ebenso Nolan's Schwester Nataya.

'Tornado' heißt das brillante neue Album dieses Joe Nolan, der in nur ganz kurzer Zeit berechtigterweise zum großen Hoffnungsträger der Singer/Songwriter-Fraktion im hohen Norden Amerikas aufgestiegen ist. Er präsentiert darauf 11 eigene Kompositionen, die in ihrer individuellen Klasse nahtlos an die Songs von 'Goodbye Cinderella' anknüpfen, insgesamt sogar noch ein dichteres, kohärenteres Geflecht bilden. Es überwiegen zunächst klar die atmosphärisch dichten, subtilen Lieder wie der stark an Joe Henry erinnernde Opener 'I Know The Difference', das kontemplative 'Autumn Sky', auf dem Nolan seine stimmliche Bandbreite bis in höchste Tonlagen ausreizt, und das folkige, fingergepickte 'The Pawnshop'. Auch der unendlich melancholische Titelsong scheint, untermalt von schwelenden, sirrenden Slide Guitar-Klängen, in die Weite der Prairie abzudriften. Aufgebrochen werden diese Situationen besonders im Mittelteil des Albums: Das im besten Bruce Cockburn-Stil angerockte, sich im unwiderstehlichen Refrain auflösende 'Tightrope Dancer', der fast qualvolle Gesang nach Art eines Jeff Buckley auf '(I Don't Want To Wake Up) On The Highway', die schneidende, dräuende Electric Guitar von Colin Linden und Nolan's geheimnisvolle, spukige Vocals auf dem versumpften Blues von 'Did Somebody Call The Cops' geben dem ganzen Album zusätzliche Konturen, bilden Koordinaten, in denen sich die übrigen Stücke wie von selbst anordnen. Bis zum Schluss, wenn Joe Nolan das unfassbar schöne, endlos sanfte 'Massey Hall' anstimmt - nur dezent begleitet von seiner akustischen Gitarre und den dahingehauchten Harmony Vocals seiner Schwester Nataya. Meisterlich!