Ohne Zweifel gehört der vielfach talentierte Singer/Songwriter, Session/Studiocrack, Bandleader und Produzent Will Kimbrough zu den fleißigsten und meist verpflichteten Musikern in der pulsierenden Nashville-Szene der vergangenen zwei Dekaden. Allein seine Aktivitäten für den aktuellen Monat sprengen die News-Rubrik auf seiner Website. Dass dieser soeben 50 gewordene Teamplayer quasi "nebenher" auch eine eigene Karriere verfolgt, gerät dabei manchmal ein bisschen zu sehr in den Hintergrund. 'Sideshow Love' heißt der Titel seines 7. Soloalbums in genau doppelt so vielen Jahren - es darf völlig zu Recht als sein bisher stimmigstes, ausgereiftestes, kurz: bestes bezeichnet werden!
Mitte der 80er begann der blutjunge Kimbrough, seine Träume als Frontman von Will & The Bushmen zu realisieren, damals noch in seiner Heimatstadt Mobile, Alabama. Es folgten der wichtige Schritt in die alternative Nashville Scene und die kurze Ära der Bis-Quits, die sich mit zünftigen Auftritten und einer legendären Platte auf dem Oh Boy-Label von John Prine unauslöschlich im Lager des blühenden Indie Guitar Pop bis Southern Roots'n Roll verewigten. Dort traf Kimbrough auf seinen Bruder im Geiste, Tommy Womack, mit dem er fortan bis auf den heutigen Tag immer wieder zusammenarbeiten sollte, zuletzt in ihrem gemeinsamen on-and-off Bandprojekt DADDY. Gleichzeitig verpflichtete ihn East Nashville Kultfigur Todd Snider als Musical Director für seine Band. Daraus ergaben sich gute Jobs für das Who's Who der Nashville-Elite abseits vom Mainstream: Kim Richey, Josh Rouse, Matthew Ryan, Amy Rigby, Neilson Hubbard, Steve Forbert, Billy Joe Shaver, Maura O'Connell, Greg Trooper, Kate Campbell, Jeff Black, Tom Russell u.v.m. Mitte der 2000er verpflichtete sich Kimbrough als Leadgitarrist für Rodney Crowell, sein bis dato prominentestes Engagement. Weitere illustre Aufgaben für Emmylou Harris, Steve Earle, Rosanne Cash, Jimmy Buffett und Hayes Carll folgten. Fast noch wichtiger für sein Standing in der Community war sein leidenschaftlicher, in eine Grammy-Nominierung mündender Einsatz für die junge Alt.Folk-Musikern Adrienne Young und als Produzent von zwei der besten Todd Snider-Werke: 'East Nashville Skyline' und 'The Devil You Know'.
Was man angesichts dieser gigantischen Fülle an Credits mitunter vergisst, ist die Tatsache, dass Will Kimbrough eigentlich ein (fast) klassischer Singer/Songwriter in eigener Sache ist, der selber regelmäßig Veröffentlichungen unter seinem Namen tätigt! Waren seine Frühwerke 'This' (00), 'Home Away' (02) und 'Godsend' (03), ein Sampler mit unveröffentlichten Schätzen, noch mitgeprägt von Indie Roots, Alt.Country und Twang Pop, konzentriert er sich seit dem ambitionierten, gesellschaftskritischen Album 'Americanitis' (06) über die Kehrseite des amerikanischen Traums verschärft auf eine wurzelnahe, konturenhafte Mischung aus Folk, Blues und (Alt.)Country mit Roots Rock. Diese mit 'EP' (07) und 'Wings' (10) fortgeschriebene Tendenz führt nun konsequent und eindrucksvoll zu 'Sideshow Love'.
Während Will Kimbrough zuletzt in Americana-Kreisen und darüber hinaus großes Aufsehen mit der kleinen, famosen Supergroup Willie Sugarcapps feiern konnte, zeigt er sich auch mit seinem eigenen Programm von 12 neuen Songs total entspannt, deutlich akustisch orientiert, professionell homemade, bisweilen introvertiert, immer wortgewandt und als hervorragender Arrangeur, der genau weiß, wann was zuviel ist - eben als einer, der die Kunst des Weglassens und Reduzierens beherrscht. Vom JJ Cale-ähnlichen Starter 'When Your Loving Comes Around' über das swampig-slidige 'Let The Big World Spin' und den Titeltrack mit seinen ruppigen R&R-Bezügen bis hin zum großen Finale mit dem verhalten schleichenden Folk Blues von 'Emotion Sickness' besticht Will Kimbrough mit feinfühligen Texten über die Launen der Liebe und die menschlichen Schwächen bei der Bewältigung des täglichen Lebens. Weitere spannende Nummern sind das nur mit akustischer Gitarre im Stil von Richard Thompson begleitete 'I Want Too Much', die so unendlich traurige Solonummer 'Has Anybody Seen My Heart' oder im Kontrast dazu das farbige 'Soulfully' frei nach The Band, der walzernde Country Rock von 'Dance Like Grownups Dance' und mit 'All We Can Do Is Love' eine beschwingte Gulf Coast/Southern Blues-Nummer, die sehr an das Programm von Willie Sugarcapps erinnert. 'I Can Count On You' ist höchste Singer/Songwriter-Kunst mit herrlich ineineinander verwobenen akustischen Gitarren und das Nackenhaar aufstellenden Harmonica-Schüben.
Wie gewohnt erweist sich Will Kimbrough als wahrer Multiinstrumentalist mit tollen Fähigkeiten auf diversen Gitarren, Harmonica, Mandoline und Banjo, auch an Bass, Keyboards und Percussion und nicht zuletzt als variabler Sänger, den man so gut bei Stimme wohl noch nie zuvor gehört hat! Uneigennützige Hilfe erhält er von Co-Produzent David Henry am Cello, der Rhythm Section um Chris Donohue oder Tim Marks (Bass) & Paul Griffith (Drums) und von Lisa Oliver Gray mit erlesenen Harmony Vocals auf mehreren Tracks.
Der Americana Allrounder Will Kimbrough bietet einen weiteren starken Beweis dafür, welch erstklassige Musik im "anderen" Nashville abseits der offiziellen Country Charts gemacht wird - 'Sideshow Love' ist ein sehr integeres Album von spezieller Qualität geworden!!