Das kann ja noch spannend werden! Den Wild Ponies aus Nashville wird die Ehre zuteil, mit ihrem famosen Debütalbum als erste Veröffentlichung auf dem soeben neu gegründeten Continental Rose-Label im Zentrum des großen Interesses zu stehen. Continental Rose ist eine niederländisch-deutsche Kooperation der beiden angesehenen Firmen Continental Record Services (CRS) und Blue Rose für vielversprechende, neue Acts aus dem weiteren Americana-, Roots und Singer/Songwriter-Zirkel, die vielleicht noch nicht den ganz großen Namen besitzen, eher noch am Beginn einer hoffentlich prosperierenden Entwicklung stehen. Definitiv wird das bei den Wild Ponies der Fall sein - bei ihrer begeisternden 'Things That Used To Shine'-CD bleiben hinsichtlich der Qualität des Songmaterials und der Musikalität des Trios keine Wünsche offen!
Wild Ponies... - dabei handelt es sich um die beiden Protagonisten und Eheleute Doug & Telisha Williams, die aus Martinsville, Virginia - mitten in den Appalachian Mountains - stammen, etliche Jahre als Acoustic Folk-Duo unterwegs waren und in dieser Phase zwei Independent Alben herausgebracht haben: 'Rope Around My Heart' in 2006 und 'Ghost Of The Knoxville Girl' in 2009. Aber irgendwie reichte ihnen auf Dauer dieses doch sehr limitierte und für ihren Geschmack einfach zu verstaubte Folk-Image nicht mehr, sie wollten ihre Musik auf eine breitere Basis stellen und ihr Renommee im blühenden Americana-Segment ausbauen. Dazu mussten sie erstmal raus aus Virginia. Sie packten ihren alten, ramponierten Van und fuhren westwärts, bis der Motor streikte. In der Not arrangierte man sich mit dem Ort, an dem das passierte: East Nashville. Sowas nennt man wohl Glück im Unglück - es hätte in der Tat schlimmer kommen können! Seit 2011 ist das Williams-Paar also in der East Nashville Community fest verankert. Ihre alte Folk-Vergangenheit als Doug & Telisha streifen sie ab und benennen sich in Wild Ponies um, nachdem Recherchen völlig überraschend ergeben, dass dieser Name noch frei ist! Mit vielen Auftritten in der Region und darüberhinaus hat man sich endgültig als Vollzeitband etabliert und beginnt, während eines arbeitsreichen Jahres 2012 neue Songs für das angestrebte Debütalbum zu schreiben.
Gleich nach Neujahr 2013 ist es soweit: Mit dem 5-fachen Grammy-Gewinner und Produzenten Ray Kennedy (Steve Earle, Lucinda Williams, Billy Joe Shaver, Todd Snider, Nanci Griffith, Reckless Kelly) gehen die Wild Ponies ins Studio und in nur drei Tagen werden sämtliche Basic Tracks für die 12 Nummern aufgenommen. Mittlerweile gehört auch Drummer/Percussionist Jake Winebrenner fest dazu und bildet mit der zum Stand-Up Bass gewechselten Telisha Williams eine locker swingende, gut einstudierte Rhythm Section. Doug Williams spielt nicht mehr nur akustische Gitarre, sondern begeistert mit kompetenten, vielschichtigen Electric Licks! Mit Winebrenner und etlichen bekannten Studiomusikern, die Ray Kennedy organisiert hat, bewegt man sich ziemlich weit weg vom ehemaligen Folk-Szenario und hin zum rauen Roots Rock mit Rockabilly-Elementen, "cry-in-your-beer" Alt.Country, Neo Honky Tonk und twangigem Country Rock. Der eigentliche Triosound der Wild Ponies wird geschickt ergänzt von Nashville Veteran Russ Pahl, der nicht nur häufig seine typisch rockige Pedal Steel Guitar spielt, sondern auch mit Banjo und weiteren Gitarren zu hören ist, von Top-Fiddler Casey Driessen, Keyboarder Tom Berry u.a.
Telisha Williams singt auf den meisten, allesamt mit ihrem Mann geschriebenen Songs die Leadstimme zwischen bittersüß, geheimnisvoll und zupackend, oft dabei ähnlich einer anderen Williams: Lucinda! Wie gleich zum Start auf dem schleppenden, in bester Crazy Horse-Manier rumpelnden 'Make You Mine'. 'The Truth Is' handelt danach ganz offen von ihrer schwierigen Kindheit mit sexuellem Missbrauch durch ihren Stiefvater. Kratzige elektrische Gitarren und eine bedrohlich schwirrende Pedal Steel untermauern die beklemmende Alt.Country Noir-Atmosphäre! Blutige Rache nimmt sie in 'Trigger', einer echten Mörderstory in Gestalt von semiakustisch/elektrischem, herrlich mit Fiddle und Steel ausgeschmücktem Uptempo-Country Rock. Eine Frau erschießt ihren Partner, aber den Grund erfährt man erst am Ende... So und ähnlich geht es hier in vielen Texten zu: Verlust, Ablehnung, Gewalt, aber auch Neuanfang, Hoffnung - oft autobiografisch und mit der Mission, Menschen von der anderen Seite des sogenannten American Dream eine Stimme zu geben. Ja, leichte Kost ist dieses Album ganz und gar nicht! Da kommt der beschwingte 7/8 Takt des Titelstücks mit klassischem Mann/Frau-Gesang gerade recht. 'Trouble Looks Good On You' ist eine starke Acoustic Honky Tonk-Nummer, auch der karge, mit Banjo und Geige instrumentierte Alt.Folk von 'Iris' und 'Valentines Day' mit bittersüßer Poetry und herzzerreißenden Duet Vocals gehören in die Acoustic Americana-Abteilung. 'Massey's Run' geht in Richtung des melodischen Insurgent Country Rocks der Old 97's und ist das erste, allein von Doug Williams gesungene Stück. Auch die komplexe Heartland/Songwriter-Ballade 'Revival Wasteland' mit exquisiten Solopassagen von Steel & Leadgitarren, Geige und Orgel dominiert er, während auf dem melancholischen 'Want To Be Gone' wieder Telisha auf betörende Weise im Zentrum steht. 'Broken' - über jenen "historischen" Zusammenbruch ihres Autos und andere Unfälle im Leben - ist ein weiteres Duett.
Aber das Beste passiert zum Schluss: Im Laufe einer 6-minütigen Killerballade, mit wuchtigen Gitarren-, Keyboards- und Pedal Steel-Arrangements erhalten ein paar desolate, eigentlich im Drogensumpf versunkene Personen... 'Another Chance'. Mit deftigen Hallelujahs, intoniert von Telisha Williams mit ihrem Mann sowie den East Nashville-Kolleginnen Anne McCue, Siobhan Maher-Kennedy, Melissa Greener und Amelia White als "Bad Ass Gospel Choir".
Wer Shovels & Rope, honeyhoney und die Civil Wars mag, wer sich noch an die Shivers, Freakwater und Handsome Family erinnern kann, wer einen gewagten Bogen von Johnny Cash & June Carter zu den Believers und Mastersons zu schlagen vermag, der sollte sich von den Wild Ponies schwer begeistern und auf eine erstaunliche musikalische Reise mitnehmen lassen!