Mit ihrer gut 20-jährigen Erfahrung als Musikerin hat die großartige, kürzlich 40 gewordene Künstlerin Jess Klein ein Stadium erreicht, in dem sie niemandem mehr etwas beweisen muss - außer sich selbst! So präsentiert sie ihr Werk auf dem brandneuen Album 'Learning Faith' noch ehrlicher und schonungsloser als auf dem ebenfalls bereits äußerst bemerkenswerten Vorgänger 'Behind A Veil'. Mit jenem Blue Rose-Debüt aus dem vergangenen Jahr konnte sich die Wahltexanerin aus Austin endlich auch in Europa ein ganz neues Publikum erschließen, das sich mit Begeisterung in ihre anschaulichen, intelligenten Songs hineinhört und völlig betört ist von ihrer charismatischen Stimme, die sie so vielfältig einsetzen kann und mit der sie aus jedem ihrer Lieder noch eine Spur mehr herausholt. 'Learning Faith' kommt genau zum richtigen Zeitpunkt, um das große Interesse an dieser spannenden Singer/Songwriterin, versierten Gitarristin und ausdrucksstarken Roots Rock-Röhre weiter anzuheizen!
Jess Klein zog Anfang 2008 in die texanische Musikmetropole Austin und ist dort heute fest verankert. Aber als junge Frau aus Upstate New York begann sie ihre Laufbahn schon in den frühen 90ern in den Folkclubs von Manhattan und später in Boston. Erste Alben erschienen noch im privaten Rahmen, als ernsthaften Durchbruch muss man das in Nashville professionell aufgenommene und auf Rykodisc überregional veröffentlichte 'Draw Them Near' von 2000 betrachten. Erst 2005 folgte das hochgelobte, in NYC entstandene Album 'Strawberry Lover'. Der ähnlich konzipierte, schnelle Nachfolger 'City Garden' heimste in 2006 weitere Auszeichnungen sowie seltene 5 Sterne vom angesehenen Mojo Magazine ein. Die Ryko-Phase war damit beendet und Klein beschloss, ab jetzt nur noch selbstbestimmt auf eigene Rechnung zu arbeiten. 'Bound To Love' kam in 2009 als erstes Ergebnis ihres Umzugs nach Austin. Lokale Größen wie Scrappy Jud Newcomb und Mark Addison konnten als Mitmusiker und Produzenten gewonnen werden, musikalisch präsentierte Klein eine elegant perlende Mischung aus Folk und Pop mit lässigen Rockelementen made in Austin - absolut geeignet für Fans von Lucinda Williams über Patty Griffin bis Tift Merritt. Nach einer langen Pause, bedingt durch etliche private Nackenschläge, meldete sich Jess Klein in 2012 mit 'Behind A Veil' eindrucksvoll zurück. In einem sehr vielschichtigen, wieder von Mark Addison produzierten Album verarbeitete sie ein Beziehungsende, den Tod des Vaters und andere Lebenskrisen auf poetische Art, musikalisch handelte es sich dagegen um Americana Rock mit texanischen Einflüssen an allen Ecken und Enden! Also genau der richtige Stoff für ein Roots Rock-ausgerichtetes Label wie Blue Rose, bei dem 'Behind A Veil' etwas später in 2013 veröffentlicht wurde und großen Anklang bei den Fans fand.
Das neue Edelteil 'Learning Faith' ist nach Klein's eigener Einschätzung "eckig und brutal, aber inspiriert von einer echt empfundenen Liebe für diese Welt". Motiviert durch den Titelsong, den sie bereits früh fertig hatte, traute sie sich erstmals ein durchgängiges Konzept zu und war selber überrascht, dass sie es bis zum Ende der Writing & Recording Sessions durchgezogen hat: "Faith" als Motto für ein ganzes Album, 10 Songs über den bisweilen schwierigen und langatmigen Prozess, Vertrauen aufzubauen, über den Glauben an die Menschen, an das Universum und an höhere Mächte. Und das muss bei Jess Klein nicht zwingend in Religiosität münden! 'Learning Faith' ist bereits die dritte Zusammenarbeit mit Professor Feathers (aka Mark Addison) in Folge. Wie schon zuvor hat Addison - bestens bekannt auch durch sein Wirken für die Band Of Heathens, Guy Forsyth oder Ian Moore - als Multitasker produziert, aufgenommen und gemixt, dazu als Bassist, Keyboarder und Gitarrist fungiert. Die Hauptperson begleitet ihren emotionsreichen Gesang mit dieser unvergleichlich verführerischen, leidenschaftlich rauen Stimme auf akustischen und elektrischen Rhythmusgitarren. Gitarrist Billy Masters (von Honeybrowne), die Schlagzeuger Rob Hooper (Carolyn Wonderland, Guy Forsyth) oder John Paul Keenon, gelegentlich BJ Lazarus an der Mandoline und Wendy Colonna mit etlichen Harmony Vocals-Beiträgen sind die einzigen weiteren Musiker bei dieser sehr kompakt und straight gehaltenen Studiosession.
Das Album beginnt mit dem Titelsong, einem schleppenden Rocker mit mehreren elektrischen Gitarren inkl. einer auffälligen Slide im klassischen Bonnie Raitt-Modus. Klein singt bereits hier mit voller Inbrunst und lässt bis zum finalen 'Long Way Down', einer ähnlich gestrickten Nummer, nicht mehr locker. Das gilt auch für die wenigen ruhigen, akustischen Stücke in Folknähe, besonders im Mittelteil des Albums: z.B. die Ballade 'Loving You' und gleich danach die einzige Guitar/Vocal-Soloperformance 'Wish' - ein introvertiertes Lied über Befreiung und Heilung durch schlichtes Erzählen der Wahrheit, das Klein im Stil einer Patty Griffin zelebriert. Oder 'Open Road', ein folky Road Song über die Probleme eines konstanten Lebens "on the road". An anderen Stellen geht es höchst unterschiedlich zu: 'So Fucking Cool' kommt als kurzer, schneller 3 Minuten-Rocker mit einem biestigen, unwiderstehlichen Rock'n Roll-Guitar Riff und enthemmten Shouter Vocals. Auf 'Surrender' gesteht sich Klein nach langem Zögern endlich eine neue Liebe ein, während sie musikalisch herrlich nostalgisch einer ganz alten huldigt, nämlich der zu den Stars ihrer Teenagerzeit wie Pat Benatar, Stevie Nicks, den Eurythmics! 'Only The Blues' ist derber Southern Swamp Blues im Beat des menschlichen Herzschlags und kommt in Lucinda Williams-Manier. Auf den stahlharten Saiten der Akustischen, umgarnt von einer scharfkantigen Electric Guitar hält Klein Kurs auf den Blues wie nie zuvor!
So bleiben noch die beiden vielleicht bedeutungsvollsten, engagiertesten Songs übrig. Für 'If There's A God' fühlte sich Jess Klein inspiriert vom entschiedenen Eintreten von State Senator Wendy Davis gegen eine weitere Verschärfung des Abtreibungsrechts in Texas. Akustische und elektrische Gitarren in toller Balance über bedrohlich sirrenden Keyboards bestimmen das Szenario und halten eine stete Atmosphäre der Beklemmung. Und 'Dear God' ist akustisch-elektrischer, mit Mandoline unterspülter und von Orgel verstärkter Folk Pop. Der Song handelt von fehlenden Frauenrechten in großen Teilen der Welt, insbesondere vom geringen Einfluss auf die verkrusteten Strukturen der Sozialsysteme.
Davon kann bei Jess Klein natürlich keine Rede sein! Mit ihrem unerhört selbstbewussten Album 'Learning Faith' kann sie es nicht nur mit jedem männlichen Mitbewerber aufnehmen, sondern erhöht ganz nebenbei die Frauenquote bei Blue Rose!