Besser als mit einem neuen Album des Blue Rose-Urgesteins Todd Thibaud könnte man einen Jahresanfang wohl kaum begehen! Mit seiner samt-rauen Stimme und den unwiderstehlichen Melancholie-Balladen passt er noch gut in den real existierenden Winter mit früh einsetzender Dunkelheit, die halb-elektrisch angerockten, dynamischen Songwriter/Pophymnen zielen mit ihrer starken Aufbruchskraft deutlich in Richtung Frühling und erste Ausflüge mit offenem Schiebedach!
'Broken' ist Todd Thibaud's 5. reguläres Studioalbum, Nachfolger zu 'Northern Skies' von 2004 und mal wieder sein vermutlich stärkstes, in jedem Fall sein persönlichstes überhaupt!
Todd Thibaud begann seine Karriere Anfang der 90er mit den Courage Brothers, einer Formation, die in 'Something Strong' (92) und 'Wood' (95) zwei erstklassige Alben vorlegte – beide wurden später auf Blue Rose wiederveröffentlicht. Bereits damals bestach Thibaud mit ohrwurmigen, melodiereichen Harmoniesongs und einem erlesenen Popgitarrensound. Mit dem 97er Solodebüt 'Favorite Waste Of Time' setzte sich der Mann aus Vermont, der aber seit langem in der Nähe von Boston wohnt, ein erstes Denkmal am Songschreiber/Popfirmament. Es folgten die klassischen Blue Rose-Studiowerke 'Little Mystery' (99), 'Squash' (2000), 'Northern Skies' (2004) und eine interessante ausgedehnte Phase mit der Supergroup Hardpan, in der für je ein Studio- und ein Livealbum die gleichberechtigten Singer/Songwriter Joseph Parsons, Chris Burroughs, Terry Lee Hale mit Thibaud zusammenfanden. Alle davor, dazwischen und danach erschienenen Liveveröffentlichungen - solo oder mit Band, als CD oder DVD - aufzuzählen würde jeden vernünftigen Rahmen sprengen! Zuletzt wurde Thibaud an der Seite seines Musikerfreundes Joseph Parsons beobachtet, mit dem er in 2007 u.a. durch Deutschland tourte und dafür extra eine gemeinsame Platte einspielte.
Sein einfühlsamer, attraktiver Gesang, diese zwingenden Harmonien, süffige Gitarrenläufe Marke Westcoast, clever verteilte Acoustic/Electric Parts, dazu der Punch von Heartland & Prairie Rock haben ihn zu einem absoluten Meister vertrauter, fast traditioneller Singer/Songwritermusik mit Rock & Popcharakter reifen lassen, die auf ewig Bestand haben wird! Selbstverständlich gelten all diese Attribute auch und besonders für 'Broken', allerdings überwiegen hier die nachdenklichen, ruhigen Momente. In seinen 13 Songs reflektiert Thibaud über private Befindlichkeiten aus der jüngeren Vergangenheit, so thematisiert er z.B. die schwierige Beziehung zur langjährigen Partnerin mit allen Höhen und Tiefen. 'I Go On', mit dem das Album startet, ist solch ein Lied: leicht wehmütig in der Rückschau, gleichzeitig mit einem klaren Ausrufezeichen nach vorne blickend - I go on, es geht weiter, und wie! Der Titelsong kommt bereits als Track # 2 - kräftig geschlagene Rhythmusgitarre, treibender Beat, fließende Orgel, herrlich singende Electric Lead Guitar, mehrstimmiger Chorus. Anders als bei früheren Projekten hat Thibaud diesmal seiner Band die Songs nur als simple Blaupausen vorabgeliefert. Zusammen entwickelten sie dann im Studio die Arrangements, ohne großes Proben, praktisch ohne Overdubs, quasi aus dem Stegreif. Diese Vorgehensweise sorgt durchweg für ein erfrischend dynamisches, spontanes Feeling, die positiven Vibes gelangen direkt ins Ohr des Hörers!
Auf dem rockabilligen 'Changing Now' im Rodney Crowell-meets-Buddy Holly-Stil wird das Tempo merklich angezogen, bevor mit 'Simple Man' eine erste große Roots-Ballade ihre nachhaltige Marke setzt. Die dominierende, herrlich sirrende Bottleneck-Begleitung geht aufs Konto von Gastgitarrist Adam Steinberg (Patty Griffin, Reto Burrell, Dixie Chicks), der ja zuvor die Thibaud-Alben 'Squash' und 'Northern Skies' produziert hatte. Diesmal steht der Meister dafür erstmalig allein in der Verantwortung. Obwohl es bei einer CD, die vor starken Songs nur so überquillt, schwierig ist, einzelne Tracks hervorzuheben, muss man die eingängige Americana Pop'n Roll-Nummer 'Drifting' unbedingt erwähnen - sie scheint geradezu prädestiniert fürs Wunschradio! Auch das urgewaltige 'Man That I Am' danach, eine wahre Killerballade mit sämigem Memphis/Muscle Shoals Flair, wirkt nachhaltig und lässt einen an Großtaten von Kris Kristofferson oder John Hiatt denken!! 'The Right One', allen Insidern natürlich vom letztjährigen 'Parsons Thibaud'-Album bekannt, kommt hier in einem unter die Haut gehenden, laid-back Akustikarrangement mit der famosen Singer/Songwriterin Lori McKenna als Duettpartnerin!
'Blue Skies Back' geht wieder in die Vollen - Todd Thibaud und seine Band rocken offensiv mit Twang Guitars, feister Orgel, zwingenden Refrains und dem einen klasse Riff, geradeaus und schnörkellos in 3:25 - perfekte Single-Länge! Wie auf gleich mehreren Stücken hilft hier ein anderer Bostoner Freund mit gut passenden Harmony Vocals - Bill Janovitz, bekannter Chef von Buffalo Tom und Blue Rose-Kollege. Zeit, die Band vorzustellen: Mit Dave Limina an den Tasten (vornehmlich Orgel) und Drummer Milt Sutton sind zwei frühere Weggefährten aus alten Courage Brothers-Tagen zurückgekehrt, Bassist Jeff St.Pierre und der ganz hervorragende, stets die richtigen Licks herauskitzelnde elektrische Gitarrist Thomas Juliano spielen bereits seit Ende der 90er mehr oder weniger regelmäßig mit Thibaud. Kein Wunder also, dass wir es hier mit einem wie geölt funktionierenden Team zu tun haben. Auf 'You & Me' stößt dann die wunderbare Lori McKenna nochmal als Sängerin hinzu - ein fröhlicher, optimistisch in die Zukunft weisender Abschlusstrack eines diesmal ganz speziellen Todd Thibaud-Werkes!
Dazu passt, dass 'Broken' auch als Special Edition mit einer Bonus-CD veröffentlicht wird, 'Broken Demos'. Das sind die Urfassungen der 13 'Broken'-Titel plus 3 weitere, bislang unveröffentlichte Nummern: 'All That I Can Do', 'Your Own Heart' und 'Long Champlain'. Hier beobachten wir Todd Thibaud sozusagen bei der Entstehung eines Albums, ganz alleine nur mit seiner Stimme und der akustischen Gitarre im Arm: Todd Thibaud privat, intim, ganz bei sich. Für die Seele.