Homecoming! Unter diesem Motto stand gestern die Weihnachtsparty 2010 des schwäbischen Blue Rose Labels. Nach drei Jahren "in der Fremde", nämlich in der Blues Garage in Hannover, kehrte Labelchef Edgar Heckmann mit seinem Programm ins quasi vor seiner Haustür gelegene Bürgerhaus Böckingen (Heilbronn) zurück, dahin, wo bis 2006 so illustre Acts wie die Drive-By Truckers, Steve Wynn & Miracle 3, Todd Thibaud, Iain Matthews, Cindy Bullens usw. den Grundstock zur Legendenbildung um diese Christmas Party bildeten. In den drei Jahren danach erfreute Blue Rose dann mehr den Norden in einer wesentlich größeren Location mit Veranstaltungen, die zuletzt schon fast den Rahmen sprengten: Mit US Rails, Jason & The Scorchers und Willie Nile & Band wurden 2009 gleich drei hochkarätige Bands aus den Staaten importiert und am Ende gab's dann sogar noch die legendäre All Star Jam Session, in Fachkreisen auch Blue Rose Rockestra genannt. Das war dann weit nach Mitternacht und nach fast 8 Stunden Musik - wie nicht wenige meinten - simply too much. Man war schlichtweg "exhausted".

2010 also alles wieder ein wenig kleiner, ein bisschen familiärer, deutlich entspannter oder, um es mit einem der Musik angemessenen Begriff zu beschreiben, very down home! Und wieder komplett unter der Regie von Edgar und seinen fleißigen Helfern, die ganze Arbeit leisteten: im Vorfeld schon mit einer durchdachten Organisation, während des Events mit einer perfekten Regie vom makellosen Sound über eigens zubereitetes Catering bis zum planmäßigen Ablauf des musikalischen Programms. Selbst die angenehm dezente Pausenmusik wurde vom Chef selber zusammengestellt und hob sich sehr von der oft überlauten und nervigen Beschallung anderer Veranstaltungen ab - beste Gelegenheit also, mit alten Freunden und neuen Bekannten zu reden, die man vielleicht nur immer dieses eine Mal im Jahr sehen kann. Und wenn das Pils mal ausging, dann war nicht einfach Schicht (wie gleich zwei Mal in der Blues Garage!), sondern dann wurde der Kühlschrank 10 Minuten später nach dem Leerkauf eines benachbarten Supermarkts wieder aufgefüllt - Ehrensache, klar!

Zur Musik: Westwood zum Start, weit mehr als ein Warm Up, nämlich ein Trio mit alten Hasen, die seit Mitte der 70er Jahre im Großraum Heilbronn zusammenspielen, mit mehr oder weniger langen Pausen, je nach dem, wie Singer/Songwriter/Gitarrist/Banjoman und Originalamerikaner Dave German (!), der in den Rocky Mountains lebt, Zeit findet herüberzukommen. Komplettiert wird das Line Up von Akustikgitarrist Wolfgang Köhler und Bassist German (!) Vogt - ja, der heißt wirklich so. Markenzeichen von Westwood sind ein souveränes Country Folk-Programm mit Eigenem und Klassikern der Marke 'Long Black Veil', ein ausgefeilter Harmoniegesang (America, CSN...) und gekonnte Instrumentalbegleitung auf den Saiten!

Danach folgte Special Guest Nummer 1: Julian Dawson. Der Engländer und Weltenbummler in Sachen Songwriter/Folk/Roots darf als geborener Entertainer nun wirklich nicht fehlen auf einer Blue Rose Party, brachte das Publikum mit seinem natürlichen Witz und Charme (und in einem holländischen XXXXL-Admiralsjackett!) oft zum Lachen und spielte wie immer ganz locker den MC vom Dienst. Er streute zwei Songs solo ein, u.a. den Gassenhauer 'Death Of A Clown' mit erfolgreicher Aufforderung zum vielstimmigen Sing-a-long!

Ohne Unterbrechung ging's dann zum ersten Mal so richtig elektrisch zur Sache: Der bekannte, seit einigen Jahren für Blue Rose veröffentlichende Schweizer Topmann Hank Shizzoe kam mit seiner Band (Felix Müller/E-Bass und Christoph Beck/Drums) auf die Bühne und ließ von der ersten Sekunde an keinen Zweifel aufkommen, dass wir heute Abend die raue Rock-Seite seiner ganz speziellen Roots Rock Music hören sollten! Tolle Fassungen etlicher Tracks seiner aktuellen CD, im Zentrum eine Hammerversion von David Lindley's 'When A Guy Gets Boots', bildeten den Grundstoff für gleich mehrfache Ausflüge zu längeren Jams inkl. Basssolo, Schlagzeugsolo, furiose Slide-Attacken, lange Electric Lead-Ausflüge und beseelte, mit tiefster Stimme vorgetragene Vocals!. Das war ohne Übertreibung Hank Shizzoe at his very best, superpräsent, voll auf den Punkt, den Nerv des begeisterten Publikums treffend. Eine Zugabe war da Pflicht, keine Frage! Und das war 'Pretty Head' von ZZ Top!!

Vor Micky & The Motorcars bekam Special Guest Nummer 2 die Gelegenheit zwei seiner Songs vorzutragen: Markus Rill. Auch ein langjähriger Freund des Labels und im Februar/März 2011 mit einer neuen Platte am Start, die (ich durfte 'Wild, Blue & True' schon hören) sicher zu seinen stärksten bislang gehören wird! Ein Stück daraus war dann gleich schon mal ein feiner Vorgeschmack. Dann, nach soviel Americana, endlich "richtige" Amerikaner auf der Bühne: Micky & The Motorcars aus Austin sind ja noch relativ neu bei Blue Rose und befinden sich gerade auf einem kleinen Kennenlerntrip in Deutschland (sie sind in der Tat zum ersten Mal überhaupt in Europa!). Und sie sind verdammt typisch amerikanisch. Oder genauer: verdammt typisch Texas Country Rock-amerikanisch! Von Anfang an zog das Quartett mit einer unglaublich professionell, dabei aber eben auch voll leidenschaftlich vorgetragenen Show das Publikum auf seine Seite und zum Tanzen und Mitrocken. Star in der Mitte ist natürlich Micky Braun, hauptsächlicher Songschreiber und Leadsänger, der seine Akustische schrubbt und einen gewissen Coolnessfaktor draufhat, seine Band (Electric Lead, Electric Rhythm, Bass, Drums) funktioniert wie ein geöltes, perfekt aufeinander engestimmtes Team - da macht sich der über viele Jahre durchgezogene "mehrere 100 Shows per Annum"-Schlauch bezahlt. Ihr gut einstündiges Konzert mit Zugabe war ein einziger Country & Gitarrenrock-Fluss von eigenen Hits wie 'Naive', 'Carolina Morning', 'Louisiana Baby', 'Long Enough To Leave', 'Grow Old', 'Misunderstood' und Coverversionen: 'July, You're A Woman' (John Stewart), 'Lawyers, Guns And Money' (Warren Zevon), 'Lookin' For A Job' (Todd Snider), 'Twilight' (Jon Dee Graham) und 'Stay With Me' (Faces).

Nach einer längeren Pause, der neue Tag hat gerade begonnen, bat Julian Dawson alle zuvor Beteiligten zur All Star Jam Session auf die Bühne. Zunächst gab es fulminanten Power Blues mit Hank Shizzoe, Christoph Beck, German Vogt, Wolfgang Köhler an der Electric Lead und einem weiteren Special Guest, dem Heilbronner Urologie-Chef Prof. Jens Rassweiler (Uroband) an der zweiten Blues Harp neben Dawson ("Was ist schlimmer als eine Mundharmonika? - Zwei Mundharmonikas!"). Yeah, wow, man, das war schlicht unbelievable! Danach folgten ein brutaler Boogie mit dem Prof nochmal an der Elektrischen und als "irrer" Leadsänger, Markus Rill's Paradenummer, der 'Folsom Prison Blues', Julian Dawson's Christmas Song zum ersten Mal mit Band. Rückkehr M&TMC! Mit Shizzoe, Rill und im weiteren Verlauf auch mit Westwood. Erst eine Wahnsinnsfassung von 'Mrs. Robinson', dann gleich zwei Mal "Micky-macht-den-Gram": 'Hickory Wind' und 'Sin City' bis zum gigantischen Finale von 'You Ain't Goin' Nowhere', bei dem alle zusammen auf der Bühne standen und sich die Strophen teilten! Einen glückseligeren Abschluss konnte man sich wahrlich nicht vorstellen!!